100.000 Menschen haben am aktuellen Fahrradklimatest des ADFC teilgenommen und bewertet, wie fahrradfreundlich ihre Stadt ist. Gestern wurden die Ergebnisse vorgestellt.
Peinlich! Hamburg ist von einem schlechten Platz 34 im Vergleich von 39 deutschen Großstädten vor zwei Jahren sogar noch um einen Platz nach unten gerutscht – 35. von 39. Das olympische Motto “dabei sein ist alles” gereicht hier nicht zum Trost. Dass meine Wahrnehmung der Hamburger Verkehrsinfrastruktur bestätigt wird, freut mich nicht. Der ADFC Hamburg kommentiert die Ergebnisse folgendermaßen:
[..] Radfahren auf der Fahrbahn ist auch in Hamburg auf immer mehr Hauptverkehrsstraßen erlaubt. Das wissen aber nur die wenigsten Autofahrer – oder wollen es nicht wahrhaben. Die Folge: Sie versuchen, sich durch Nötigung und Beschimpfungen Vorfahrt zu verschaffen und den Radfahrer von der Fahrbahn zu verdrängen. „Das vergiftet nicht nur das Verkehrsklima“ sagt Merja Spott, Referentin für Verkehr beim ADFC Hamburg, „das konterkariert auch die guten Maßnahmen, die in Hamburg in letzter Zeit für den Radverkehr umgesetzt wurden“. Eine breit angelegte Kampagne, die über die Rechte der Radfahrer informiert und die Autofahrer zu mehr Rücksicht und Verständnis auffordert, sei überfällig. Es sei völlig inakzeptabel, dass Radfahrer, die sich regelkonform verhalten, Übergriffe und falsche Belehrungsversuche von Autofahrern fürchten müssten. Und: „Erfolgreiche Vorbilder für stadtweite Kampagnen gibt es längst – zum Beispiel die Radlhauptstadt München.“ [..]
Quelle: ADFC Hamburg
Besonders schlecht wurden Breite und Zustand der Radwege bewertet, ebenso deren Reinigung und Hindernisse darauf. Letzteres zeigt things on bike lanes immer wieder erschreckend auf. Viele Beiträge auf hamburgfiets handeln ebenfalls davon: Mühlenkamp mit Schutzstreifen, schmaler und vielfach den Belag wechselnder Radweg an der Tarpenbekstraße und einige mehr. Immerhin fand ich auch Veränderungen, wie die Nachbesserung des Schutzstreifens in der Weidestraße.
Ein weiterer Punkt, der bemängelt wurde, ist die Falschparkerkontrolle auf Radwegen. Dies sehe ich insbesondere auf den neu geschaffenen Schutz- und Radstreifen als relevant an. Am Mühlenkamp, Hofweg und der Fuhlsbütteler Straße bin ich durch Falschparker als Radfahrerin oft zu einem Slalom zwischen Radstreifen und Autospur gezwungen. Dieses Streifenhopping ist mir zu gefährlich, ich fahre in solchen Fällen durchgehend auf der Autospur.
[Damit Falschparken teurer wird, läuft zurzeit eine Onlinepetition.]
Zum Glück gibt es auch Positives. Bei öffentlichen Fahrrädern wie beispielsweise dem StadtRad ist Hamburg weit vorn. Auch die Tatsache, dass immer mehr Einbahnstraßen in Hamburg für den Radverkehr in beide Richtungen freigegeben werden, honorieren die Teilnehmer. “Alle fahren Fahrrad” ist ein weiterer Punkt. Mich persönlich begeistert wie vielen radfahrenden Hamburgern ich inzwischen selbst im Winter begegne. Klasse auch, dass es immer mehr werden – trotz der schlechten Rahmenbedingungen.
Um dem Ergebnis etwas Gutes abzugewinnen, würde ich zusammenfassen: Hamburg hat sehr viel Potenzial. Die neu gewählte Bürgerschaft und der Senat sollten es nutzen, um Hamburg lebenswerter zu machen.
Ich denke nicht, dass der neue Senat da viel ändern wird. Die SPD wird weiterhin hauptsächlich Symbolpolitik mit wenigen Leuchtturmprojekten machen und ansonsten darauf achten, dass keine der Maßnahmen auch nur ein Winzigstel den gefühlten “Bestandsschutz” der Autofahrer anknabbern wird.
Von den Grünen verspreche ich mir auch wenig. Sie sind schon zu häufig umgeknickt und werden den Radverkehr sicherlich gerne zu Gunsten eines anderen Punktes ihrer Wünsche vernachlässigen.
Was mich massiv ankotzt in Hamburg (sorry für das harte Wort) ist, dass einige Maßnahmen echt einen geringen Aufwand darstellen würden. Würden Falschparker nur etwas konsequenter verfolgt, würde sich das Problem schnell erledigen. Sicherlich könnte man da sogar einige Stellen schaffen, die sich aus den Strafzetteln finanzieren würden.
Zum vergifteten Klima: Ich fahre täglich auf der Kirchenalle, die zwar zwei Spuren aber keinerlei Radweg, Schutzstreifen, o.Ä. hat. Ich fahre zur Sicherheit – insbesondere dort – mittig auf der Fahrspur. Neulich wurde ich massiv von einem Taxifahrer ausgehupt und ausgeschimpft, da ich durch mein mittig fahren beinahe einen Unfall zwischen zwei Taxifahrern verursacht habe …
Ich freue mich auch immer wieder darüber, dass man ständig auf Radwegen damit rechnen muss, dass sie von Fußgängern blockiert sind, die wiederum häufig verwundert oder sogar erbost reagieren, wenn ein Radfahrer an ihnen vorbei möchte. Mich kotzt es so gewaltigt an, dass insbesondere die Fußgänger davon auszugehen scheinen, dass Radfahrer in der Bringschuld der Signalisierung seien und dass sie selber nicht eine Sekunde schauen müssen, ob der Weg frei ist.
Es ist so viel kaputt, es wird noch ein langer Weg sein, bis man als Radfahrer in Hamburg entspannt fahren kann und endlich ernstgenommen wird.
Warum peinlich? Immer nur am rummeckern . . .
Du kannst das doch auch positiv sehen: Hamburg hat sich in der Gesamtnote verbessert – von 4,4 auf 4,3. Also ist Hamburg aufgestiegen. Von den 38 anderen Städten ist offenbar noch eine andere derart aufgestiegen, dass Hamburg überholt wurde. Dadurch fällt Hamburg in der Rangfolge unter 39 gelisteten Städten zwar zurück, aber auch bei den anderen vergleichbaren Metropolen Berlin, Köln und München sieht es nicht besser aus. Berlin ist von 4,01 auf 4,1 abgesackt, Köln von 4,27 auf 4,3 (Hamburg liegt jetzt endlich vor Köln!), München verbessert sich von 3,73 auf 3,7. Der Aufsteiger ist Wuppertal. Wuppertal hat Hamburg vom letzten Platz mit Note 4,55 überholt und liegt nun mit Note 4,2.