Kleines Rad RadEvent

Rapha Nocturne in London

Ganze drei Monate des aktuellen Jahres war ich radlos unterwegs. Mit Blick auf die sich nähernden Brompton World Championship Finals Ende Juli in London wurde mir – ob meiner mangelnden Radfitness – mulmig. Abhilfe musste geschaffen werden. Ein erster Schritt war mit dem BrommieX unsere 100km Bromptontour ins Wendland. Sie war ein Erlebnis und gleichzeitig beruhigend: Da war noch Kraft zum Treten in meinen Muskeln. Kurz entschlossen meldete ich mich zu den Rapha Nocturne in London drei Wochen später an. Neben Masters, City Crit, Womens & Mens Elite und sogar Penny Farthing (Hochrad) Rennen sollte es auch ein Faltradrennen geben. Nur gut, dass ich vorher nicht viel drüber nachgedacht hatte, vielmehr davon ausging, dass es ähnlich wie Brompton World Championships ablaufen würde. Meine ganze Vorbereitung bestand entsprechend im Ausdruck der Race Registration.

In London angekommen, wiesen mich Freunde darauf hin, dass ich bei den Ladies gute Chancen aufs Podium hätte, es wären nur eine Handvoll Damen angemeldet. Beim Blick auf die Namen und zugehörigen Facebookprofile wurde mir allerdings flau: Alle zeigten Fotos von durchtrainierten Rennradfahrerinnen. Nun gut, über Nacht konnte ich mir keine Fitness mehr antrainieren, also genoss ich lieber den Abend mit meinen Freunden.

Mittags machten wir uns auf gen City. Ayk hatte den Flug heil überstanden, war frisch aufgepumpt und seine Kette noch einmal geölt. Beim Zwischenstopp in der Brompton Junction wurde ich mit “Welcome Ayk!” überrascht. Im Februar hatte ich für Ayk eine Wartung gewonnen und der mir bis dahin unbekannte Herr in der Junction hatte ihn doch glatt erkannt! Es ist einfach immer ein wenig wie nach Hause zu kommen. Unten traf ich direkt noch einige andere Bekannte, die gleich auch mitfahren würden. Besonders entspannt war Yavor, der drei Stunden vor dem Rennen erst einmal sein Rad komplett umrüstete – Austausch der Laufräder, frische Bremsbeläge, etc.  Der amtierende Brompton World Champion Mark Emsley war im Stress: Er trat nicht nur auf dem Brommie an sondern auch im Leigh Day Criterium direkt im Anschluss. Da galt es nicht nur das Rad zwischen den eng getakteten Rennen zu tauschen, sondern auch die Kleidung vom Business Dresscode zum Rennlycra zu wechseln.

Le Mans Start hieß es für uns wieder. Die Räder wurden rechts und links am Straßenrand aufgestellt, wir starteten rund 50m von ihnen entfernt – mein erster Sprint mit Klickis. In der Aufregung auf dem Asphalt nicht wegzurutschen, bin ich erstmal an Ayk vorbei gerannt. Also umgedreht, Ayk geschnappt, aufgefaltet und ab auf die Strecke. Nun rächte sich das gute und viele Essen in Portugal sowie die wenigen Radkilometer der letzten Monate. Schon nach der ersten Kurve Pfiff meine Lunge und ich dachte ans Rausfahren. Zum Glück wusste ich meine Freunde anfeuernd an der Bande, da kam ein Aufgeben nicht in Frage. Einer zähen ersten Runde folgte eine weitere mühsame. Dann kam ich in meinen Rhytmus. Motivierend wirkte außerdem, dass ich einige Fahrer überholen und hinter mir lassen konnte. Die 90°-Kurven erinnerten mich an den Wiener Kurs im letzten Herbst. An einer Stelle lagen die Kurven so dicht hintereinander, dass ich zwischen dem nach links, dann nach rechts in die Kurve legen gerade zwei Mal treten konnte. Heftig war auch das Einbiegen auf die Zielgerade: Eine deutliche Steigung war zu spüren, dazu starker Gegenwind. Da war ich froh, einen zweiten, kleineren Gang zu haben.
In der Ausschreibung stand, dass wie im Berufsverkehr geflucht werden dürfe. Aus den Lautsprechern hörte ich entsprechende Aufforderungen. Das Gegenteil war der Fall: Ich wurde von Überholenden mit “Go mate!” angefeuert oder “Push it, Miriam! Go!”. Auf die Bromptonauten ist Verlass. Danke!!

Der schnellste Fahrer war unglaublich. Er hatte schon zu Beginn bestimmt 20 Sekunden Vorsprung auf die Spitzengruppe. Zehn 1,15 km lange Runden waren zu fahren. Er überholte mich schon in der dritten. Von da an fuhr ich wie im Tunnel: Tempo halten, in den Kurven nicht mit dem Pedal aufkommen, den nächsten Vordermann zum Überholen anpeilen. Mit maximal sieben Runden hatte ich gerechnet, acht sind’s geworden. Auf der Zielgeraden wurde es noch einmal brenzlig. Zwei Fahrer lagen mit ihren Brommies quer auf der Straße. Mein erster Gedanke “wie lässig, so zu signalisieren, dass sie viel schneller als alle anderen im Ziel waren” bis ich sah, dass es einen Crash gegeben hatte. Zum Glück scherzten sie schon wieder und erhoben sich. Ich kam gut dran vorbei, gab noch einmal alles und das war’s. Kurz überlegte ich, ob die nun geschwenkt karierte Flagge noch eine Runde bedeuten würde, aber vorher war eine “1” als Rundenzahl hochgehalten worden. Neben mir wurde nun auch ausgerollt.

Ich war froh, dass es vorbei war und konnte mich in den nächsten Minuten mit Mühe auf den Beinen halten. Lange habe ich mich nicht so unfit gefühlt. Umso erstaunter war ich beim Blick auf den Garmin: Dort stand ein knapper 28er Schnitt!

Dann wurde mir noch eine besondere Ehre zuteil: Maria, die u.a. für Women’s Cycling schreibt, interviewte mich. Auf ihre Fragen nach Vorbereitung und Renntaktik antwortete ich vielleicht zu ehrlich mit “Commuting.” und “Go and push until you drop.” Sie selber wird im Sommer die 100 Meilen London – Surrey des Prudential Ride mitfahren. Respekt!

 

Es war wieder ein besonderes Erlebnis. Ayk’s 60er Kettenblatt hat sich bewährt und ich freue mich nun umso mehr auf die Brompton World Championship Finals im Juli!

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